Militärstadt

Canabae legionis – Lagervorstadt

Bereits mit der Errichtung des frühesten belegbaren Standlagers an der Donau durch die legio XV Apollinaris um 40 n. Chr. folgte den Soldaten ein Tross von Händlern, Handwerkern und Familien der Legionäre. Diese Menschen siedelten sich rund um das Lager an, woraus die sogenannte Lagervorstadt – canabae legionis – erwuchs. In severischer Zeit umfasste die canabae ein Areal von 120 ha und war damit deutlich größer als die von einer Stadtmauer umgebene Zivilstadt Carnuntum mit 67 ha.

Das militärisch kontrollierte Areal bei Gründung eines Lagers wurde generell in einem Radius von 2,2 km (1 keltische Leuga) rund um das Legionslager definiert. Innerhalb dieser Leuga wurde meist die Lagervorstadt – auch jene Carnuntums – angelegt. In diesem Bereich durfte man Grund und Boden zwar besitzen, das Militär hatte jedoch das übergeordnete Recht, dieses Land für die Versorgung der Soldaten zu verwenden. Daher siedelten sich dort vorwiegend Menschen an, die wenig besaßen. Die Wohnquartiere waren einfach, die Gassen eng. Man merkt, dass hier zwar römische Bürger, aber ärmere Bevölkerungsschichten lebten, die sich teilweise ganz bewusst dem Schutz des Militärs unterstellten.

Mittels Luftbildarchäologie konnten die canabae legionis Carnuntums in den letzten Jahren umfassend untersucht und viele Details geklärt werden. So wurde festgestellt, dass die ersten Siedlungsbereiche entlang der Limesstraße, der Gräberstraße und jener nach Gerulata entstanden. Ein orthogonaler Straßenraster von zumeist 200 und 300 pM (römischer Fuß = 0,296 m) ist erkennbar, der in großen Teilen der canabae legionis eingehalten wurde.

Einige größere öffentliche Bauten sind im Stadtplan der canabae legionis gut erkennbar: das 98 x 76 m große Amphitheater, in den 70er Jahren des 1 Jhs. n. Chr. von der legio XV Apollinaris errichtet, bot rund 8.000 Besuchern Platz. Hier fanden Tierhetzen, Gladiatorenkämpfe und andere Veranstaltungen (lat. spectacula) statt. Im Westen befand sich ein Heiligtum der Nemesis direkt an die Arena angeschlossen, ein eventuell als Tierzwinger zu bezeichnender Raum flankierte ebenfalls die Aufführungsfläche.

Ein mit 177 x 233 m auffallend dimensionierter campus befindet sich südwestlich des Legionslagers. Dieser Bau stellt eine große freie Fläche dar, die an drei Seiten von Säulenhallen eingefasst wurde und an der vierten eine Basilika besaß. Der Campus diente als militärisches Übungs- und Exerziergelände.

Ein großes, unmittelbar an der Donau gelegenes Gebäude ist der Palast des Provinzstatthalters (lat. legatus Augusti). Es gibt inschriftliche Belege über die Existenz des legatus Augusti in Carnuntum.

Rund 1 km südwestlich vom Legionslager entfernt und unweit der Gräberstraße konnte ein weiteres Militärlager erkannt werden. Dabei handelt es sich um ein Auxiliarkastell, in dem eine Truppe von 480 Hilfstruppensoldaten stationiert war.

Mehrere weitere große Gebäudekomplexe lassen sich als Kultbezirke für Jupiter Dolichenus und für Liber und Libera interpretieren. Auch eine große Thermenanlage wurde auf Luftbildern erkannt.

 

Castra – Das Legionslager

Das Legionslager (lat. castra) Carnuntums befindet sich zwischen den Gemeinden Petronell-Carnuntum und Bad Deutsch-Altenburg. Diese Lage in unverbautem Gelände stellt entlang der Rhein- und Donaugrenze eine Besonderheit dar, weshalb die Carnuntiner castra für die Wissenschaft von überregionaler Bedeutung sind. Die plateauartige Geländeerhebung wurde bereits in claudischer Zeit 40/50 n. Chr. zur Errichtung eines ersten Legionslagers in Holz-Erde-Bauweise genutzt. Die legio XV Apollinaris, die bis in das frühe 2 Jh. n. Chr. in Carnuntum stationiert blieb, zeichnete für die erste Bauphase verantwortlich. Die Steinbauphase des Lagers geht auf die legio XIIII gemina zurück, die die legio XV Apollinaris ablöste und die bis in die Spätantike in Carnuntum stationiert blieb.

Das 18 ha messende Lager, inklusive drei der vier Lagertore, wurde zwischen 1877 und 1913 zu einem überwiegenden Teil archäologisch ergraben. Das Haupttor fiel gemeinsam mit den Kasernen des nördlichen Lagerteils einem Donauabbruch zum Opfer. Am Schnittpunkt der Hauptachsen befand sich das zentrale Stabsgebäude (lat. principia) des Lagers, in dem sich Verwaltung des Lagers, Lagerkasse und auch ein Lagerheiligtum befanden. Das Wohnhaus des Lagerkommandanten (lat. legatus legionis) schloss südöstlich an die principia an. Um einen Innenhof gruppierten sich zahlreiche Räume, die dem privaten Wohnluxus des Legionslegaten entsprachen. Ein Lazarett (lat. valetudinarium) nahm den südwestlichen Teil des Lagers ein. In diesem befanden sich entlang eines Korridors mehrere Kammerreihen, mittig lag ein kleines Heiligtum, vermutlich für Hygieia oder Aeskulap.

Neben den Mannschaftsunterkünften sind Wirtschaftsbereiche, Lebensmittel- und Waffenmagazine (lat. horreum) und Werkstätten (lat. fabrica) im Lager nachweisbar. Vermutlich gab es auch ein eigenes kleines Badegebäude. Mit der Neugliederung der Provinzen unter Diokletian und der Reformierung der Armee wurde eine Einheit von 1.000 Mann innerhalb des Lagers stationiert. Bis in die ersten Jahrzehnte des 5 Jhs. n. Chr. lebten die Reste der zivilen romanischen Bevölkerung innerhalb des Lagers.

 


Belege:
Chr. Gugl, Das Legionslager, in: F. Humer (Hrsg.), Carnuntum. Wiedergeborene Stadt der Kaiser (Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2014) 64-67.

Chr. Gugl – M. Doneus – N. Doneus, Die Lagervorstadt (canabae legionis), in: F. Humer (Hrsg.), Carnuntum. Wiedergeborene Stadt der Kaiser (Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2014) 67-72.

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