Über die Geschichte der Sammlung historischer Objekte in Carnuntum
Die Römerstadt Carnuntum kann auf eine Forschungsgeschichte verweisen, die über 165 Jahre zurückreicht. Es ist daher wenig verwunderlich, dass in diesem langen Zeitraum eine Sammlung an archäologischen Objekten zustande kam, die allein durch ihre schiere Fülle vor große logistische Aufgaben gestellt wird. So ist für alle Objekte eine angemessene Lagerung die unverzichtbare Grundlage, um sie für kommende Generationen zu bewahren, ihre Erforschung zu ermöglichen und sie im Bedarfsfall zu restaurieren. Weiters sollten die Objekte im Optimalfall für Ausstellungen zur Verfügung stehen.
Als im Jahr 1853 die wissenschaftliche Forschung in Carnuntum einsetzte, kam es vor allem durch die jährlich stattfindenden Ausgrabungen zu einem erheblichen Zuwachs an Funden. Nachdem sich im 19. Jahrhundert vor allem Privatleute um die Bewahrung der Funde verdient gemacht hatten, waren im Raum Carnuntum umfangreiche Privatsammlungen entstanden. So wurde die archäologische Sammlung der Grafen von Abensperg-Traun im Schloss Petronell verwahrt und dort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch im Schloss Ludwigstorff in Deutsch-Altenburg wurde ein Antikenkabinett eingerichtet und Teile der Sammlung im Schlosshof präsentiert. Trotz der sicheren Verwahrung befanden sich die Funde Carnuntums aber verstreut an verschiedenen Orten, wodurch gerade die Zugänglichkeit für die wissenschaftliche Erforschung erschwert wurde.
Die Suche nach einem großen Lagerplatz
Die Zusammenführung sämtlicher Funde aus Carnuntum in einem eigenen Carnuntum-Museum war daher eines der wesentlichen Ziele des im Jahr 1884 gegründeten „Vereins Carnuntum“. Zunächst wurde ein bereitgestelltes Privathaus in Deutsch-Altenburg als Depot und erstes Vereinsmuseum adaptiert. Die Grabungen des Vereins ließen die Zahl der Funde jedoch stetig anwachsen, sodass trotz des Anbaus einer Holzbaracke bald Platzmangel in dem Haus herrschte. Schließlich wurde im Jahr 1901 mit dem Bau des Museums Carnuntinum in Deutsch-Altenburg durch die Architekten Friedrich Ohmann und August Kirstein begonnen. Als das Museum 1904 durch Kaiser Franz Josef I. eröffnet wurde, waren sowohl die Funde der Vereinsgrabungen als auch die Bestände der großen Privatsammlungen bereits in den Neubau überführt worden.
- Eine professionelle Lagerung ermöglicht Ausstellungen wie die aktuell zu sehende 'Der Adler Roms'
Bald konnte aber auch das Museum Carnuntinum die Fülle an Neufunden nicht mehr aufnehmen. Die verwendeten Schaukästen hatten einen Unterbau mit verschließbaren Fächern, die als Verwahrort von Keramik und Kleinfunden dienten, da keine weiteren Depotmöglichkeiten zur Verfügung standen. Der Museumsgarten war bald mit Steindenkmälern vollgestellt und musste für den Besucherbetrieb gesperrt werden. Mangels ausreichender Lagerflächen waren etliche Steinobjekte über Jahre in provisorischen Depots oder gänzlich ohne Überdachung gelagert.
Professionalisierung in den letzten 30 Jahren
In den späten 1980er Jahren konnte auf einem vom Land Niederösterreich angekauften Grund östlich des Museums Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg eine große Zelthalle (ca. 360 m2) zur Verwahrung von Steindenkmälern errichtet werden, im Jahr 2010 folgte eine weitere Zeltkonstruktion (ca. 650 m2). In Hinblick auf eine langfristige Planung zur Lagerung und Bearbeitung der Carnuntiner Funde wurde 2005 die ehemalige k. u. k. Tabakfabrik in Hainburg an der Donau vom Land Niederösterreich als Archäologisches Depot erworben. Der ehemals als Donaugebäude bezeichnete Industriebau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, in dem einst bis zu 2.500 Mitarbeiter beschäftigt waren, wurde umfassend saniert und unter dem Namen Kulturfabrik als Ausstellungs-, Forschungs- sowie Veranstaltungszentrum adaptiert. Auf drei Ebenen (insgesamt ca. 3.600 m2) beherbergt der Bau heute das Depot der römischen Sammlung des Landes. Neben den Restaurierungswerkstätten für Metall, Glas, Keramik und Stein sind zeitgemäße Arbeitsplätze zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Materials vorhanden.
Nach über 160 Jahren Forschungstätigkeit in Carnuntum umfasst der Sammlungsbereich Römische Archäologie heute etwa 2,8 Millionen archäologische Objekte, deren angemessene Lagerung und Zugänglichkeit über viele Jahre eine große Herausforderung darstellte und nun endlich angemessen erfolgen kann. Die baulichen Voraussetzungen der Kulturfabrik wie auch die infrastrukturelle Ausstattung bilden ideale Rahmenbedingungen für die Lagerung der archäologischen Objekte. Durch die Konzentration der erforderlichen Technik im Mittelteil des Gebäudes bleiben die seitlichen Hallen, die durch schlanke gusseiserne Säulen gegliedert werden, in ihrer ganzen Dimension nutzbar. Mit dem Einbau von Funkdatenloggern zur Temperatur- und Feuchteüberwachung im Jahr 2016 ist eine permanente Kontrolle der klimatischen Verhältnisse in der Kulturfabrik gewähreistet.
Zusätzlich können die Veranstaltungsflächen mit einer eigenen Gastronomie-Infrastruktur (privater Pächter) im zweiten Obergeschoß vom Land Niederösterreich für diverse Veranstaltungen, wie etwa für die alle zwei Jahre stattfindenden internationalen Symposien des Archäologischen Parks Carnuntum genutzt werden. Mit der Transferierung des gesamten Denkmälerbestandes aus den diversen provisorischen Depots in die neuen Räumlichkeiten in Kulturfabrik konnte der bereits bei der Gründung des Vereins Carnuntum geäußerte Wunsch nach einer Zusammenführung der Carnuntiner Funde unter einem Dach verwirklicht werden. Diese Sammlung bildet auch das Rückgrat für die Ausstellungen im Museum Carnuntinum, wie etwa die aktuelle Ausstellung „Der Adler Roms“.